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„Ein wenig Güte von Mensch zu Mensch“ steht auf den leuchtend roten Sammelbüchsen des Caritasverbands der Erzdiözese München und Freising. Vorbereitungen für die Caritassammlung 1951.  | © (Münchner Kirchenzeitung/Gustl Tögel, Archiv des DiCV München und Freising e. V., Fotosammlung)

Woher kommt das Geld?

Stiftungen, Spenden, Sammlungen, kirchliche Gelder und staatliche Subventionen finanzieren die Arbeit des Caritasverbands der Erzdiözese München und Freising e. V.

Das Oktoberfest 1926: Zwischen den Buden der Theresienwiese und vergnügungssuchenden Besucherinnen und Besuchern in Lederhosen und Tracht laufen zwanzig Männer und Frauen und klappern mit ihren Sammelbüchsen. Freundlich fragen sie die Besucher nach Spenden für die Wohlfahrt. Sammelaktionen wie diese waren für den Unterhalt des Diözesan-Caritasverbands in seiner Anfangszeit elementar wichtig. 1926 führte der Verein „Arbeitsgemeinschaft für öffentliche und freie Fürsorge“ die Oktoberfest-Geldsammlung durch, es kamen 8.380 Reichsmark zusammen, die „schlüsselmäßig“ an die Fürsorgeverbände verteilt wurden.[1]

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[1] Archiv des Caritasverbands der Erzdiözese München und Freising e. V., AR 391, Zeitzungsartikel “Oktoberfest-Geldsammlung und Glückshafen”.

Zur Zeit der Gründung des Katholischen Caritasverbands in München im Jahr 1899 waren es hauptsächlich Mitgliedsbeiträge, Spenden und Stiftungsförderungen, die den Verband finanziell am Leben hielten. Die industrielle Revolution Mitte des 19. Jahrhunderts mit ihren Gewinnern, einem starken und über Reichtum verfügendem Bürger- und Unternehmertum, und ihren Verlierern, einer ums Überleben kämpfenden Arbeiterschaft, ließ ein starkes Stiftungswesen im Kaiserreich entstehen. Rund 100.000 Stiftungen existierten zur Wende zum 20. Jahrhundert im Deutschen Reich.[1] Auch die Arbeit des Münchner Caritasverbands finanzierte sich in ihrer Anfangszeit weitgehend durch vom Adel getragene Stiftungen.[2]

Das änderte sich nach der Novemberrevolution 1918: Der Erste Weltkrieg, ein Adel mit schwindendem Einfluss, Hyperinflation und Weltwirtschaftskrisen brachten die Stiftungskultur nahezu zum Erliegen.[3] 1920 bemühte sich der erste Vorsitzende des Katholischen Caritasverbands München, Oskar Fürst von Wrede, beim Erzbischof von München und Freising um die Einführung einer Caritaskollekte, mit der die Verbandsarbeit unterstützt werden sollte. Der Versuch scheiterte, sodass der Verband am 13. Juli 1921 seine Mitglieder dazu aufrufen musste, den Mitgliedsbeitrag doppelt zu zahlen, wenn das Bestehen des Verbands gewährleistet werden sollte.[4]

Es waren die Wohlfahrtsgesetze der Weimarer Republik wie z. B. das Reichsjugendwohlfahrtsgesetz, die allmählich die finanzielle Grundlage der sozialen Arbeit veränderten. Die Weimarer Reichsverfassung hielt in den Artikeln 7 und 9 Bereiche der Sozialpolitik und der Wohlfahrt als Reichskompetenz fest. Gleichzeitig gestand sie der Kirche den Status einer Körperschaft öffentlichen Rechts zu. Eine Zusammenarbeit zwischen öffentlicher und konfessioneller Wohlfahrtspflege war die Folge und bedeutete eine weitreichende Finanzierung der caritativen Arbeit durch die öffentliche Hand.[5] 1922, nach Umgestaltung des Münchner Verbands in den Caritasverband der Erzdiözese München und Freising e.V., zeigte sich der Verbandsvorstand darüber erfreut, dass es gelungen sei, sich bei „Behörden und öffentlichen Stellen […] entsprechenden Einfluss und verständnisvolles Entgegenkommen“ zu sichern. Aufgrund der wirtschaftlichen Krisen der 1920er Jahre und der daraus resultierenden großen Not der Menschen blieb die finanzielle Situation aber angespannt.[6]

Im Nationalsozialismus wurde die öffentliche Wohlfahrt, ähnlich der heutigen Sozialhilfe, dezentral und aus verschiedenen Quellen finanziert.[7] Die staatliche Unterstützung für den Diözesan-Caritasverband  blieb nach der nationalsozialistischen Machtübernahme 1933 zunächst bestehen, weil die Leistungen nicht so einfach ersetzbar waren, aber auch, weil es vonseiten der katholischen Wohlfahrtsverbände keinen offenen Widerstand gegen das NS-Regime gab, nicht zuletzt wegen des zwischen der NS-Regierung und dem Heiligen Stuhl geschlossenen Reichskonkordats.

Nach 1945 wurde an der politischen Zusammenarbeit von öffentlicher Hand und privaten Wohlfahrtsverbänden angeknüpft.[8] Durch Artikel 20 (1) Grundgesetz manifestierte sich die Bundesrepublik Deutschland als demokratischer und sozialer Bundesstaat und legte die soziale Fürsorge als grundlegende Aufgabe des Bundes fest.[9] Zur Erfüllung seiner Aufgaben überträgt der Staat soziale Aufgaben an freie Träger und bezahlt sie für ihre Arbeit mit Leistungsentgelten. Zu diesem System gehört auch der Diözesan-Caritasverband. Der Verband erhält etwa Beiträge aus der Sozial- und Pflegeversicherung. Auch Spenden, Erbschaften, Mitgliedsbeiträge und Eigenmittel, etwa aus kirchlichen Zuschüssen und Förderfonds, gehören zu seinen Finanzressourcen.[10] Da der Verband seinen Mitgliedern und Geldgebern gegenüber zur Transparenz verpflichtet ist, schlüsselt er die zur Verfügung stehenden Finanzmittel und deren Verwendung in jährlichen Berichten auf.

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[1] Meyer, Manuel: Der gesellschaftliche Wert von Stiftungen, Wiesbaden 2015, S. 9-11. Schlüter, Andreas; Stolte, Stefan: Stiftungsrecht, München 2013, S. 3.

[2] van Vliet, Valery: Caritas im Zeitalter der „Volkspflege“, München 2013, S. 116-117.

[3] van Vliet, S. 116-117.

[4] Archiv des Caritasverbands der Erzdiözese München und Freising e. V., 636, Organisation des Caritasverbands der Erzdiözese München u. Freising e.V., Mittelung vom 13. Juli 1921. Ebd., 639, Katholischer Caritasverband für Bayern, Einführung einer Caritaskollekte, Schreiben 30. November 1920.

[5] Riechert, Karen: Caritas und Sozialpolitik in der Weimarer Republik, in: Manderscheid, Michael; Wollasch, Hans-Josef: Die ersten hundert Jahre, Forschungsstand zur Caritas-Geschichte, Freiburg im Breisgau 1998, S. 71-78, hier: S. 72.

[6] Archiv des Caritasverbands der Erzdiözese München und Freising e. V., AR 115, Verbandsakten, Nr. 27-4a, Jahresbericht der Erzdiözese München-Freising 1922. Archiv des Caritasverbands der Erzdiözese München und Freising e. V., AR 882, Jahrsberichte des DiCV München und Freising, Jahresbericht für das Jahr 1925.

[7] Gruner, Wolf: Öffentliche Wohlfahrt und Judenverfolgung, München 2002, S. 12.

[8] Frie, Ewald: Kontinuitäten und Trümmer, in: Manderscheid, Michael; Wollasch, Hans-Josef: Die ersten hundert Jahre, Forschungsstand zur Caritas-Geschichte, Freiburg im Breisgau 1998, S. 115-118, hier: S. 116.

[9] Vgl.: Bundesverwaltungsgericht, Az.: BVerwG V C 78.54, Urt. v. 24.06.1954. Eichenhofer, Eberhard: Soziale Menschenrechte und deutsches Sozialrecht, in: Banafsche, Minou; Platzer, Hans-Wolfgang (Hg.): Soziale Menschenrechte und Arbeit, Baden-Baden 2015, S. 89 – 102, hier: S. 92 f.

[10] Deutscher Caritasverband e. V. (Hrsg.): Caritas in Deutschland – Aufgaben, Aufbau und Finanzierung, 2020.

 

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