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„Die schönsten psychologischen und soziologischen Doktrinen nutzen gar nichts, wenn der Mensch, dem wir helfen wollen, nicht merkt, daß man ihn mag“. - Adolf Mathes, 1972, zit. nach Eder, S. 537. | © (Ingrid Grossart-Lockemann, Archiv des DiCV München und Freising e. V., Fotosammlung)

Der „Bunkerpfarrer“

Adolf Mathes und die Gründung des Münchner Männerfürsorgevereins

Während des Zweiten Weltkriegs wurde rund die Hälfte des Münchner Stadtgebiets bei Luftangriffen zerstört. Insgesamt blieben nur 2,1 % der Gebäude unbeschädigt. Am Ende des Krieges war die Zahl der Obdach- und Wohnungslosen stark angestiegen und immer mehr Unterkünfte und Notbaracken mussten eingerichtet werden.[1] Nach der Schließung der Übernachtungsbaracke des Männerschutzvereins München in der Bayerstraße wurde die Obdachlosigkeit in München zu einem noch größeren Problem. Daraufhin schloss sich Adolf Mathes, geboren am 20. Juni 1908 in München in der Au und seit 1946 Prediger in der Mariahilf Pfarrei in der Au, mit Gleichgesinnten zusammen, um dieser Not entgegenzuwirken.[2]

Am 1. April 1950 übernahm er den 90 Betten großen „Keferloher-Bunker“, eine Hochbunkeranlage im Stadtteil Milbertshofen, um eine neue Anlaufstelle für Wohnungslose zu bieten. Bereits nach drei Tagen waren alle Betten belegt und auch eine Aufstockung auf 120 Schlafplätze konnte der wachsenden Anzahl an unterkunftssuchenden Männern und Jugendlichen nicht entgegenwirken. So entschloss sich Mathes, nach eingehender Beratung mit dem Diözesan-Caritasverband und weiteren Fürsorgevertretern, eine neue Organisation ins Leben zu rufen. Am 19. April 1950 war es schließlich soweit, dass der Katholische Männerfürsorgeverein e. V. München mit seiner endgültigen Satzungsfassung gegründet werden konnte. Die Haupttätigkeit des neuen Vereins bestand darin, „gefährdete und entwurzelte männliche Jugendliche und Erwachsene durch persönliche und finanzielle Hilfen in das berufliche und gesellschaftliche Leben (…)“ zu integrieren.[3] Daneben entstand die Unterorganisation „Hilfswerk für männliche Obdachlose“.[4] Gleichzeitig verwaltete der Verein Herbergen, kümmerte sich um Strafgefangene und Strafentlassene und führte einen Bahnhofsdienst für Männer. Dabei wurde explizit bestimmt, dass der Männerfürsorgeverein seine Hilfen ohne Rücksicht oder Bevorzugung aufgrund von Religion und/oder Rasse zu leisten hatte.

Im Mai 1950 wurde mit der Eröffnung des sogenannten „Petuel-Bunkers“ eine zweite Unterkunft geschaffen, um der massiven Zahl an Obdachsuchenden entgegenzukommen. Das zunächst mit 20 Betten ausgestattete Quartier wurde innerhalb von acht Wochen auf 80 Betten erweitert und blieb trotzdem überfüllt. So wurden weitere Unterkünfte eingerichtet, wie die Baracke in der Falkenstraße sowie ein gepachteter Bunker in der Hotterstraße. Zum Ende des Jahres 1950 konnte der Münchner Männerfürsorgeverein 346 Schlafplätze und Betten bieten.[5] Ein Problem, welches sich jedoch schnell auftat, war die Finanzierung. Die Vereinskasse des Vereins mit seinen insgesamt acht Gründungsmitgliedern hatte zur Gründung gerade einmal 360 DM beinhaltet.[6] Die kleinen Einnahmen aus Übernachtungs- und Verköstigungsgebühren sowie die finanzielle Unterstützung seitens des Diözesan-Caritasverbands, des bayerischen Innenministeriums, der Münchner Stadtverwaltung und weiterer Organisationen und Privatpersonen reichte nicht aus. Hoffnung ergab sich jedoch aus der Eröffnung des städtischen Unterkunftsheims an der Pilgersheimer Straße 11 am 1. März 1952.[7] Das 338 Betten große Heim wurde dem Männerfürsorgeverein zur Verwaltung und Betreuung übergeben und galt bald als „Deutschlands modernstes Obdachlosenheim“[8]. Dennoch mussten 1953 noch insgesamt rund 10.000 Beherbergungen wegen Überfüllung abgelehnt werden.[9]

Mathes war trotz positiver Reaktionen der Auffassung, dass Fürsorge mehr beinhalten sollte als bloße erste Hilfeleistung. So beschloss er, dass die neue Unterkunft nur eine Auffang- und Sichtungsstation für Wohnungslose sein sollte, von welcher aus diese in Einrichtungen verlegt werden sollten, die speziell auf ihre Bedürfnisse und Situationen ausgelegt waren. So wurde als erstes die „Trinkerheilstätte“ Annabrunn bei Mühldorf gegründet. Diese bot 35 Plätze für Männer mit Alkoholproblemen. Des Weiteren wurde der Arbeitshof „Gut Mittenheim“ bei Oberschleißheim eröffnet, auf welchem 94 junge Männer zwischen 18 und 25 Jahren einen Platz finden konnten. Im Jahr 1957 kam ein Arbeiter- und Jugendwohnheim im Münchner Stadtteil Untergiesing hinzu und 1965 dann der zweite Arbeiterhof in Gelbersdorf bei Freising für 40 Männer ab 25 Jahren. Auch wurde 1971 eine zweite Heileinrichtung für Alkoholabhängige sowie Suchtkranke im Landkreis Fürth aufgebaut.[10]

Insgesamt 5 Millionen Übernachtungen gewährte der Männerfürsorgeverein bis 1972.[11] Adolf Mathes war indes seit 1964 Direktor des Landes-Caritasverbands und Leiter der Münchner Hauptvertretung des Deutschen Caritasverbands.[12] Seinen letzten öffentlichen Auftritt hatte der „Vater der Obdachlosen“[13] bei der Einweihung des Eingliederungsheimes für Nichtseßhafte an der Hans-Sachs-Straße. Am 28. Dezember 1972 starb er, kurz nach seinem 40-jährigen Priesterjubiläum.[14]

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[1] Vgl.: Die Geschichte des KMFV. Chronik in Stichworten, auf: https://www.kmfv.de/der-kmfv/geschichte-des-kmfv/index.html, letzter Zugriff 16. Februar 2022.

[2] Archiv des Caritasverbands der Erzdiözese München und Freising e. V., III/B-GL 483, A. Mathes, Schrift von Freunden und Mitarbeitern zum 40jährigen Priesterjubiläum am 29. Juni 1972, dem Kaplan, Stadtpfarrprediger, Bunkerpfarrer, Landes-Caritasdirektor Adolf Mathes, S. 11.

[3] Archiv des Caritasverbands der Erzdiözese München und Freising e. V., III/B-GL 483, A. Mathes, S. 7.

[4] Archiv des Caritasverbands der Erzdiözese München und Freising e. V., III/B-GL 483, A. Mathes, S. 9.

[5] Vgl.: Eder, Manfred: Helfen macht nicht ärmer. Von der kirchlichen Armenfürsorge zur modernen Caritas in Bayern, Altötting 1997, S. 535.

[6] Archiv des Caritasverbands der Erzdiözese München und Freising e. V., III/B-GL 483, A. Mathes, S. 15.

[7] Archiv des Caritasverbands der Erzdiözese München und Freising e. V., AR 441, Kath. Männerfürsorgeverein München e.V. (Hrsg.): 4. Jahresbericht, 1953, S. 4-5.

[8] In Münchner Merkur, 1.03.1952, zitiert nach: Eder, „Helfen macht nicht ärmer“, S. 535.

[9] Archiv des Caritasverbands der Erzdiözese München und Freising e. V., AR 441, Kath. Männerfürsorgeverein München e.V. (Hrsg.): 4. Jahresbericht, 1953, S. 5.

[10] Vgl.: Eder, „Helfen macht nicht ärmer“, S. 536.

[11] Archiv des Caritasverbands der Erzdiözese München und Freising e. V., III/B-GL 483, A. Mathes, S.16.

[12] Archiv des Caritasverbands der Erzdiözese München und Freising e. V., III/B-GL 483, A. Mathes, S. 5.

[13] Archiv des Caritasverbands der Erzdiözese München und Freising e. V., III/B-GL 483, A. Mathes, S. 29.

[14] Vgl.: Eder, „Helfen macht nicht ärmer“, S. 537.

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