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Das ursprüngliche „Auskunfts- und Korrespondenzbureau“ des Kath. Caritasverbands München wandelte sich angesichts der großen Notlagen in eine Unterstützungsstelle, die von zahlreichen Hilfesuchenden frequentiert wurde. | © (Fotograf unbekannt, Archiv des DiCV München und Freising e.V., Fotosammlung)

Der Ortsverband

Die Gründung des „Katholischen Caritasverbands München“

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts war auf dem Gebiet des Deutschen Reichs ein sehr dichtes Netz an karitativen katholischen Vereinen entstanden.[1] Sie existierten und arbeiteten nebeneinander.[2] Mit am Anfang der Entwicklung standen die Elisabethen- und Vinzenzvereine, die sich vieler Notlagen annahmen.[3] Bald folgten weitere wie beispielsweise das Seraphische Liebeswerk, der Marianische Mädchenschutzverein, die Bahnhofsmission, Jugendfürsorgevereine, der Kreuzbund und viele mehr. Die Notwendigkeit, die bestehenden Einrichtungen unter einem Dachverband zu vereinen, wurde zunehmend deutlicher. Dies wurde auch auf den Katholikentagen wiederholt gefordert. 1897 schließlich wurde der Caritasverband für das katholische Deutschland mit Sitz in Freiburg im Breisgau gegründet.[4]

In München nahmen sich karitativ tätige Personen die Gründung des deutschen Caritasverbands (DCV) zum Vorbild und etablierten für örtliche katholische Vereine und Anstalten einen gemeinsamen Dachverband. Am 6. März 1899 lud Erzbischof Franz Joseph von Stein die Vertreter der katholischen Wohltätigkeitsvereine der Stadt München zu einer Vorbesprechung ein. Bei der nächsten Versammlung am 23. November 1899 lagen bereits fünf Vorentwürfe für die Statuten eines Münchner Ortsverbands für die katholischen Organisationen vor.[5] Am 9. Dezember 1899 wurde der Ortsverband unter dem Namen „Katholischer Caritasverband München e. V.“ gegründet. Er war damit der zweite Caritasverband Deutschlands und der älteste in Bayern.[6]

Die Gründungsmitglieder waren adelig oder gehörten zum gehobenen Bürgertum der Stadt. Lobend wurde vor allem die „außerordentliche Hingebung“ erwähnt, mit der auch Prinzessin Ludwig Ferdinand „das Zustandekommen dieses sozialen Werkes von Anfang an gefördert“ habe.[7] Klerus und Ordinariat standen dem neuen Verband anfangs noch distanziert gegenüber,[8] obwohl der Erzbischof dessen Schutzherr war.[9] Der neu gegründete „Katholische Caritasverband München e. V.“  sollte als eigener Verband, neben dem DCV, bayernweit wirken, wobei die äußere Form zunächst bei einer lokalen Gestaltung blieb.

Da viele der bestehenden karitativen Gemeinschaften – Orden und Laienorganisationen – um ihre Selbständigkeit fürchteten[10], wurde im ersten Jahresbericht von 1900  betont, dass der neue Verband keine Eingriffe in die Eigenständigkeit der einzelnen Vereine und Anstalten vornehmen werde.[11] Der Anschluss bestehender Anstalten an den Münchner Ortsverband erfolgte zunächst jedoch eher zögerlich.[12] Das Arbeitsgebiet des Verbands erstreckte sich dennoch bald auf die gesamte Erzdiözese München und Freising und wurde schließlich auf ganz Bayern ausgeweitet.[13] Die Verwaltung war ab 1900 im Sekretariat am Odeonsplatz 5 angesiedelt. Es sah sich „(ähnlich einem Arbeitsamt) als ein Wohltätigkeitsamt“ und wollte „als Auskunfts- und Vermittlungsstelle durch den bestmöglichen Ausgleich zwischen Hilfegesuch und Hilfeangebot die Wohltätigkeit den modernen wirtschaftlichen sozialen Verhältnissen entsprechend organisieren.“[14] Es wurde eine eigene Fachbibliothek aufgebaut. Zudem begann der Verband auch eigene Schriften zu publizieren, den „Caritasführer durch Bayern“ sowie die Monatszeitschrift „Bayerische Caritasblätter“ mit Berichten aus ganz Bayern.[15]

1903 gehörten dem Münchener Ortsverband 46 Vereine, Anstalten und Stiftungen an und er zählte 515 Mitglieder, 21 von ihnen stammten aus dem bayerischen Königshaus.[16]

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[1] Rudloff, Wilfried: Konkurrenz, Kooperation, Korporatismus, Wohlfahrtsvereine und Wohlfahrtsverbände in München 1920-1933, in: Wollasch, Andreas (Hrsg.): Wohlfahrtspflege in der Region. Westfalen-Lippe während des 19. und 20. Jahrhunderts im historischen Vergleich, Paderborn 1997, S. 165-190, hier S. 169.

[2] Koch, Georg: Geschichtsblätter der Münchner Caritas. Werden und Wachsen einer diözesanen Caritasorganisation, in: Caritasdienst. Mitteilungen des Katholischen Caritasverbands der Erzdiözese München und Freising 4 (1963), S. 26-33, hier S. 26.

[3] Vgl. Eder, Manfred: »Helfen macht nicht ärmer«. Von der kirchlichen Armenfürsorge zur modernen Caritas in Bayern, Altötting 1997, S. 214ff. Der Münchener Ortsverein des St. Elisabethenvereins wurde bereits 1842 gegründet, der Vinzenzverein 1845.

[4] Hein, Bernd: 1922-1997. 75 Jahre Caritasverband der Erzdiözese München und Freising e. V., in: Not sehen und handeln. Caritas 1922-1997, München 1997, S. 34-44, hier S. 35; Koch, Georg: Der Baum der Caritas ist nicht erst in neuer Zeit gepflanzt worden, in: 50 Jahre Caritasverband München. 1922-1972, S. 59-75, hier S. 63f.; Frie, Ewald: Caritas und soziale Verantwortung im gesellschaftlichen Wandel, in: JCSW 38 (1997), S. 21-42, hier S. 27.

[5] Eder, S. 414; Koch: Baum, S. 60.

[6] Es folgten Gründungen weiterer Ortsverbände in Bayern: Nürnberg (1905), Regensburg (1910), Augsburg (1915).

[7] Erster Jahresbericht des Katholischen Caritasverbandes München, S. 4.

[8] Vliet, Valery van: Caritas im Zeitalter der „Volkspflege“ – eine Herausforderung für die Pädagogik und ihre historische Verortung, Diss., München 2013, S. 115.

[9] Archiv des Caritasverbands der Erzdiözese München und Freising e. V., AR 115, Satzungen des Katholischen Caritas-Verbandes München. (Eingetragener Verein.), München 1901.

[10] Heinle, Alfred u. Hammerl, Hans Reinhold: Caritasverband als Spitzenverband, in: Not sehen und handeln. Caritas. 1922-1997, München 1997, S. 30 f.

[11] Hein, S. 35.

[12] Hein, S. 35.

[13] Koch: Baum, S. 64f.; Hein, S. 35; Rudloff, Wilfried: Die Wohlfahrtsstadt. Kommunale Ernährungs-, Fürsorge- und Wohnungspolitik am Beispiel Münchens 1910-1933 (Bd. 1), Göttingen 1998, S. 475.

[14] Archiv des Caritasverbands der Erzdiözese München und Freising e. V., AR 882, Dritter Jahresbericht des Kathol. Caritas-Verbandes München für das Jahr 1902, München 1903, S. 3.

[15] Archiv des Caritasverbands der Erzdiözese München und Freising e. V., AR 882, Dritter Jahresbericht des Kathol. Caritas-Verbandes München für das Jahr 1902, München 1903, S. 7. 

[16] Eder., S. 414 f.

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