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Im Garten des Müttergenesungswerks des Caritasverbandes der Erzdiözese München und Freising e. V. im Luftkurort Rimsting am Chiemsee, 1953. | © (Fotograf unbekannt, Archiv des DiCV München und Freising e. V. Fotosammlung)

Hilfe für Körper, Geist und Seele

Die Organisation der Müttererholung seit den 1930er Jahren

„Die Zimmertür schließt sich. Nach einer langen Reise sind wir endlich in der Kureinrichtung des Müttergenesungswerks angekommen. Was jetzt zählt, ist Ruhe und die gemeinsame Zeit mit den Kindern. Nach den stressigen Wochen und Monaten können wir uns endlich gemeinsam in schöner Landschaft erholen. Zudem wird die Luft fern ab der Stadt meinen angegriffenen Lungen guttun. Es war eine gute Entscheidung, mich an die Caritas zu wenden.“ – fiktive Gedanken einer Mutter nach Ankunft in einer Kureinrichtung –

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Kinderbetreuung und Lohnarbeit ist ein Jahrhunderte alter Konflikt. Zumeist leiden besonders die Mütter unter einer Doppelbelastung. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs war die Situation besonders schlimm. Viele Väter waren gefallen, andere befanden sich in Kriegsgefangenschaft. Hundertausende Mütter waren plötzlich alleinerziehend und kämpften um die Existenz für sich und ihre Kinder.[1] Für die seelische und körperliche Gesundheit der Mütter baute der Deutsche Caritasverband den Bereich der Kinder- und Erholungsfürsorge aus. In den ersten zehn Jahren nach Kriegsende verlebten fast 700.000 Kinder und 112.000 Mütter einen Erholungsaufenthalt. Dieser fand häufig in Heimen statt, wo Mütter und Kinder gemeinsam medizinische und seelische Hilfe erhielten. 1950 institutionalisierte Elly Heuss-Knapp, die Frau des ersten Bundespräsidenten Theodor Heuss, die Hilfe für Mütter und Familien durch die Gründung des Deutschen Müttergenesungswerks. Es gelang ihr, die Frauenorganisationen der fünf großen Wohlfahrtsverbände zur gemeinsamen Arbeit für Frauen und Mütter in ihrer Organisation zusammenzuführen.[2]

Auch der Caritasverband der Erzdiözese München und Freising e. V. ermöglichte Erholungsangebote. 1954 erhielten 870 Mütter einen Platz in einem Heim oder bei örtlichen Familien. Im gleichen Jahr nutzten 709 Kinder das Angebot der „Heimerholung“, dazu nahmen örtliche Familien 167 Kinder bei sich auf. Insgesamt gab der Verband 41.921 DM für die Erholungsfürsorge im Jahr 1954 aus.[3] Die dazu benötigten finanziellen Mittel generierte man auch durch Spenden. 1963 wurde etwa dazu aufgerufen, die im Mai stattfindende Sammlung des Müttergenesungswerks zu unterstützen. Eine Anzeige in der Zeitschrift „Caritasdienst“ berichtet: „60 Millionen DM konnten seit 1950 als Grundstock für die Genesungskuren von 700.000 abgearbeiteten, kränklichen Müttern gesammelt werden.“[4]

Bis Anfang der 2000er Jahre gab es beim Diözesan-Caritasverband noch eine zentrale Erholungsvermittlungs-Agentur (EVA), die dann jedoch eingestellt wurde. Eigene Einrichtungen, wie etwa das Müttergenesungsheim Rimsting, hat der Diözesan-Caritasverband damals abgegeben oder geschlossen. Dennoch bleibt die Erholungsvermittlung ein wichtiges Thema in der örtlichen Caritasarbeit. Eltern, deren Lebensqualität durch Mehrfachbelastungen oder spezielle Lebenssituationen, etwa einer Pflegeleistung für einen Familienangehörigen, beeinträchtigt ist, können sich mit dem Wunsch nach Erholung an die Einrichtungen des Diözesan-Caritasverbands wenden.[5]

Dieser unterstützt das Müttergenesungswerk durch Beratungsstellen, die den Weg zur heutigen Mütter-/Väterkur ebnen und bei organisatorischen Fragen unterstützend tätig sind. So vermittelte etwa im Jahr 2020 die Kurberatungsstelle im Caritas Zentrum Pfaffenhofen 20 Mütter, einen Vater und 37 Kinder an die Kureinrichtungen des Müttergenesungswerks. Insgesamt nehmen heute die über 70 deutschen Kurkliniken des Müttergenesungswerks pro Jahr rund 50.000 Mütter, über 2.000 Väter und mehr als 70.000 Kinder für eine Erholungsphase auf.

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[1] „Die Väter waren bis auf wenige Ausnahmen im Krieg und später manchmal noch Jahre in Gefangenschaft. Auch die Väter, die aus irgendeinem Grund vom Kriegsdienst freigestellt waren, lebten meist nicht bei ihren Familien, die auf dem Land untergebracht waren“, vgl.: Schütze, Yvonne; Geulen, Dieter: Die „Nachkriegskinder“ und die „Konsumkinder“, in: Preuss-Lausitz, Ulf; u. a.: Kriegskinder, Konsumkinder, Krisenkinder, Weinheim 1983, S. 29-52, hier: S. 30. Aus dem Fehlen der Väter entstand für viele alleinerziehende Mütter der Zwang zur Existenzsicherung eine Berufstätigkeit anzunehmen, vgl.: Ruhl, Klaus-Jörg: Verordnete Unterordnung, München 1994, S. 11.

[2] Eder, Manfred: Wiederaufbau und Neuorientierung, in: Gatz, Erwin (Hrsg.): Geschichte des kirchlichen Lebens in den deutschsprachigen Ländern seit dem Ende des 18. Jahrhunderts, Band V: Caritas und soziale Dienste. Freiburg 1997, S. 280-294, hier: S. 292. Goller, S. 186.

[3] Archiv des Caritasverbands der Erzdiözese München und Freising e. V., AR 166, Verbandsakten, Nr. 27-1b, DCV/DiCV: Statistik, 1945-1957, Ausschnitte aus der Caritasarbeit 1954.

[4] Anzeige: „Mutter braucht Ferien“, in: Caritasdienst, 16/4, April 1963, S. 35. Vgl.: Archiv des Caritasverbands der Erzdiözese München und Freising e. V., AR 116, Verbandsakten Nr. 27- 4b, Kopien zur Geschichte des DiCV aus Schriften seit 1896.

[5] Caritas-Zentrum Pfaffenhofen (Hrsg.): Jahresbericht 2020, S. 18-19.