Kontakt
Der 1902 auf Anregung von Prinzessin Ludwig Ferdinand gegründete Verein „Münchener Brockenhaus“ verkaufte gespendete Gegenstände zu einem symbolischen Preis an Arme. Foto, um 1912. | © (Zehn Jahre im Dienste der Caritas. Festschrift zum 10-jährigen Bestehen des Brockenhauses München, o.O., 1912)

Patronagen, Kinderschutz und Brockenhaus

María de la Paz und Marie Therese von Österreich-Este als adlige Unterstützerinnen für die Bayerische Wohlfahrt an der Wende zum 20. Jahrhundert

Prinz Adalbert von Bayern schrieb 1932 über seine Mutter María de la Paz, Prinzessin Ludwig Ferdinand von Bayern: „Als wir ihr entwuchsen und selbstständig wurden, wendete sie sich immer mehr karitativen Bestrebungen zu und erweiterte ihren Wirkungskreis. Sie will immer den leidenden Menschen helfen, wo immer sie kann. Einfache Leute aus dem Volk sind ihr im allgemeinen lieber als Gesellschaftsmenschen. Der Ursprung dieser Einstellung und Denkungsweise liegt in ihrer richtigen Auffassung von Religion. […] Ihre Türen sind jedem offen, wie auch die meines Vaters für Arme, Kranke und Notleidende.“[1] 

------------

[1] Prinz von Bayern, Adalbert: Vier Revolutionen und einiges dazwischen, München 1932, S. 233.

María de la Paz setzte sich besonders engagiert für den Kinder- und vor allem für den Mädchenschutz in München und Bayern ein. Dahingehend übernahm sie Protektorate, beispielsweise über das Seraphische Liebeswerk, 1885 über das St. Marien-Ludwig-Ferdinand-Kinderheim in München, 1897 über den Münchner Mädchenschutzverein. Auch die Einrichtung von Patronagen unterstützte sie, die jugendlichen Mädchen im persönlichen Kontakt schulische und sittliche Bildung nahebrachten. Sie selbst hatte um 1899 fünf Schützlinge, die sie regelmäßig traf.[1]

Ferner gab die Prinzessin von Bayern den Anstoß zur Gründung des „Brockenhauses“ und übernahm damit die Idee des Bethel-Gründers Friedrich von Bodelschwingh für München. Ziel war es, den Menschen Hilfe zukommen zu lassen, ohne ihnen ihre Würde zu nehmen. Gegenstände des täglichen Lebens wurden bei wohlhabenden Privatpersonen in der Stadt eingesammelt und, wenn nötig, repariert. Mit der Abholung dieser „Brocken“ und nötigen Reparaturarbeiten wurden ebenfalls Bedürftige beschäftigt. Hilfsbedürftige Personen konnten im „Brockenhaus“ günstig Sachspenden erwerben. Satzungsgemäß kam der größte Teil des Erlöses wiederum karitativen Vereinen beider Konfessionen sowie auch jüdischen Einrichtungen zugute.[2]

Kasper Baerwindt, ein enger Mitarbeiter der Prinzessin, übernahm die Gründung des Münchner Brockenhauses. Die Stadt stellte Räumlichkeiten auf der Kohleninsel, auf der sich heute das Deutsche Museum befindet, zur Verfügung. Am 12. Mai 1902 feierte das Brockenhaus seine Eröffnung. Den erwirtschafteten Erlös aus dem vergünstigten Verkauf erhielten wohltätige Institutionen. Weil 1907 das Deutsche Museum auf der Kohleninsel errichtet wurde, zog das Brockenhaus in die Schwere-Reiter-Kaserne um. Hier war es weiterhin erfolgreich und konnte vor dem Ersten Weltkrieg 90.000 Mark an die Wohlfahrtspflege spenden. Das Ende des Brockenhauses kam 1933 nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten: Der Verein „Münchner Brockensammlung e. V.“ löste sich als Träger und Organisator des Brockenhauses am 28. September 1933 auf.[3]

Ein weiteres Beispiel für den sozialen Einsatz vieler adliger Damen und „höherer Töchter“ ist Marie Therese von Österreich-Este, Frau des späteren Königs Ludwig III. Sie engagierte sich ebenfalls für soziale Einrichtungen in Bayern. Nach der Krönung ihres Mannes 1913 übernahm sie als Königin Vorsitze und Protektorate für zahlreiche Vereine, Gesellschaften oder soziale Einrichtungen, etwa für den „Verein Prinzessin Ludwig Kinderheim für pflegebedürftige Kinder“, der auf ihre Initiative hin entstanden war.[4] In Stockdorf bei Planegg, einem Vorort von München, entstand neben dem „Kinderheim“ auch das „Prinzessin Ludwigheim“. Hier konnten sich Kinder der „ärmeren Bevölkerung“ das ganze Jahr über von Krankheiten erholen.[5]

Bis zu ihrem Tod 1919 blieb Marie Therese „unermüdlich treue, hohe Gönnerin“ und „Schutzherrin“ des Kinderheims, wie es der Jahresbericht des Vereins 1918/19 zusammenfasste.[6] Auch nach ihrem Tod blieb die Schirmherrschaft des Kinderheims königlich. Ihre Tochter, Prinzessin Hildegard von Bayern, übernahm das Protektorat. Um Gelder für die Kindereinrichtung zu generieren, veranstaltete der Verein 1932 einen „Mode-Tee“ im Hotel Continental. Für 1,50 Mark konnte man „von Damen der Gesellschaft“ vorgeführte Kleider, Hüte, Pelze, Schuhe, Handschuhe und Schmuck bestaunen.[7] 

------------

[1] Vgl. Vgl. Eder, Manfred: »Helfen macht nicht ärmer«. Von der kirchlichen Armenfürsorge zur modernen Caritas in Bayern, Altötting 1997, S. 270 ff.

[2] Archiv des Caritasverbands der Erzdiözese München und Freising e. V., AR 595.

[3] Archiv des Caritasverbands der Erzdiözese München und Freising e. V., 1994/VI, 42 Presseausschnittssammlung „Sozialpolitik durch Recycling“, in: Münchner Stadtanzeiger, 22. September 1994. Die Auflösung trat zum 31. Dezember 1933 in Kraft.

[4] Haus der Bayerischen Geschichte (Hrsg.): Die königliche Familie in der Zeit Ludwigs III., aus: www.koenigreichbayern.hdbg.de, Aufrufdatum: 15. Februar 2022.

[5] Archiv des Caritasverbands der Erzdiözese München und Freising e. V., AR 318, Prinzessin Ludwigheim für pflegebedürftige Kinder in Stockdorf bei Planegg, Vorort von München unter dem Protektorat Ihrer Königlichen Hoheit, der Frau Prinzessin Ludwig von Bayern.

[6] Archiv des Caritasverbands der Erzdiözese München und Freising e. V., AR 318, Verein Prinzessin Ludwig Kinderheim für pflegebedürftige Kinder, Jahresbericht 1918/19.

[7] Archiv des Caritasverbands der Erzdiözese München und Freising e. V., AR 318, Einladung „Zu Gunsten des Prinzessin Ludwig-Kinderheims“, 10. Mai 1932.

 

Bilder-Galerie