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Zeitungsausschnitt: AZ vom 7. November 1989, S. 13. | © (Archiv des DiCV München und Freising e. V., Presseausschnittsammlung)

Der Caritas-Skandal

Grundstücksgeschäfte in den 1980ern

Ein großes Grundstück, mitten in München in unmittelbarer Nähe zum Nymphenburger Schloss, hatte eine Münchnerin dem Caritasverband der Erzdiözese München und Freising e. V. testamentarisch vermacht. Entgegen dem Wunsch der Verstorbenen, das Grundstück für ein Altenheim zu nutzen, wurde den Mietern gekündigt und das Haus abgerissen. Das Gebäude war marode und das Grundstück für einen Altenheim-Neubau nicht geeignet gewesen, es wurde also verkauft. Und zwar an den damaligen bayrischen Ministerpräsidenten Max Streibl. Das durch den Verkauf erwirtschaftete Geld wurde für die Sanierung bestehender Altenheime verwendet – so sah der Diözesan-Caritasverband den Wunsch der Verstorbenen indirekt als erfüllt an.[1]

Kritiker bezeichneten den geschätzten Wert von Haus und Grundstück jedoch als zu niedrig veranschlagt. Daher wurde der Vorwurf laut, der Diözesan-Caritasverband „versilbere“ Spenden[2] und habe den Besitz auch noch unter Wert verkauft. Die Vorgänge um das Grundstück machten große Schlagzeilen: „Wie Caritas-Mitarbeiter in München mit Immobilien-Geschäften in die eigene Tasche wirtschafteten“, berichtete etwa das Magazin „Stern“ und wies auf verschiedene fragwürdig erscheinende Geschäfte.[3] Ministerpräsident Streibl gab seinen Plan zum Hausbau schließlich auf.[4]

Die rege Berichterstattung wirkte sich im Erzbistum negativ auf die Spendenbereitschaft aus. Obwohl ein befürchteter größerer Boykott innerhalb der Pfarrgemeinden ausblieb,[5] sank die Spendenbereitschaft in der Erzdiözese – besonders in den Münchner Pfarreien – merklich. Geschätzt eine Million DM ging dem Diözesan-Cariasverband dadurch verloren.[6]

Der damalige Erzbischof Friedrich Kardinal Wetter ließ als Reaktion sämtliche Immobiliengeschäfte, die zwischen 1979 und 1990 abgeschlossen wurden, durch eine unabhängige Wirtschaftsprüfgesellschaft prüfen. Diese stellte Mängel organisatorischer Art und eine wirtschaftlich und rechtlich nicht ausgewogene Abwicklung bei Verkäufen fest.[7] Der Diözesan-Caritasverband zog daraus Konsequenzen und begann, die Verwaltung insbesondere im Bereich Liegenschaften und Finanzen professioneller und effektiver zu gestalten. Als Folge wurde eine neue Satzung ausgearbeitet und am 9. September 1992 offiziell beschlossen.[8] Mit der neuen Satzung wurde die Verwaltung des Diözesan-Caritasverbands professionalisiert.[9] Anstelle des bisherigen ehrenamtlichen Vorstands gab es nun drei hauptamtliche Vorstandsmitglieder, die die jeweils zugeordneten Geschäftsbereiche und Aufgabenfelder in getrennten Ressorts führten. Die laufenden Geschäfte wurden von einem zwölf Personen umfassenden Caritasrat (heute Aufsichtsrat) kontrolliert. Drei Mitglieder des Caritasrats bestellte das Ordinariat, die restlichen wurden gewählt. Der Erzbischof behielt sich jedoch vor, in Zukunft besonders wichtige Rechtsgeschäfte zu genehmigen.[10]

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[1] Archiv des Caritasverbands der Erzdiözese München und Freising e. V., III/PAS 25, Münchener Caritas weist Vorwürfe wegen Erbschaft zurück, in: KNA – Bayerischer Dienst Nr. 192, 3. November 1989, S. 2; Archiv des Caritasverbands der Erzdiözese München und Freising e. V., III/PAS 25, Angela Böhm: Villa beim Schloß – Streibl hat Bau-Ärger in Nymphenburg, in: Abendzeitung, 2. November 1989.

[2] Archiv des Caritasverbands der Erzdiözese München und Freising e. V., III/PAS 25, NN: Nicht jede Mildtätigkeit gibt es kostenlos, in: Der neue Tag, 21. Oktober 1989; Archiv des Caritasverbands der Erzdiözese München und Freising e. V., AR 25, NN: Caritas verkauft gespendete Möbel an Flüchtlinge, in: Die Woche, 26. Oktober 1989; Archiv des Caritasverbands der Erzdiözese München und Freising e. V., III/PAS 25, Thym, Rolf: Schwandorfer Caritas versilberte Spenden, 31. Oktober 1980.

[3] Archiv des Caritasverbands der Erzdiözese München und Freising e. V., III/PAS 19, Zander, Brigitte: Einträgliche Nächstenliebe, in: Stern 40 (1990), 27. September 1990.

[4] Archiv des Caritasverbands der Erzdiözese München und Freising e. V., III/PAS 25, NN: Ministerpräsident Max Streibl verzichtet auf privaten Hausbau, Donaukurier Ingolstadt, 6. Dezember 1989.

[5] Archiv des Caritasverbands der Erzdiözese München und Freising e. V., III/PAS 19, Caritas der Erzdiözese München und Freising wirbt um Vertrauen, in: KNA – Bayerischer Dienst 162, 1. Oktober 1990, S. 2.

[6] Archiv des Caritasverbands der Erzdiözese München und Freising e. V., III/PAS 19, Huber, Rudolf: Fall Caritas: Die Affäre kostete eine Million DM, in: AZ, 25. Oktober 1990.

[7] Vgl. Stellungnahme des Erzbischöflichen Ordinariats München zum Ergebnis einer Sonderprüfung, in: Caritasdienst 1990, S. 41.

[8] Archiv des Caritasverbands der Erzdiözese München und Freising e. V., III/PAS 19, Stellungnahme des Erzbischöflichen Ordinariats München zum Ergebnis der Sonderprüfung der Immobiliengeschäfte des Caritasverbandes im Erzbistum München und Freising, 15. November 1990.

[9] Archiv des Caritasverbands der Erzdiözese München und Freising e. V., III/PAS 32, Neue Satzung für Münchner Caritasverband, in: KNA – Bayerischer Dienst 167, 22. September 1992, S. 2; Mehr Kontrolle bei der Münchner Caritas, in: KNA-Korrespondentenbericht 68, 22. September 1992.

[10] Archiv des Caritasverbands der Erzdiözese München und Freising e. V., III/PAS 32, Glees, Cornelia: Caritas will wieder reine Weste haben, in: Süddeutsche Zeitung, 22. September 1992.

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