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Arbeitsrichtlinien für die NSV, herausgegeben von der Reichsleitung, Berlin 1933. | © (Archiv des DiCV München und Freising e.V., Altregistratur)

Zwischen „Wohlfahrtsduseleien“ und „Volkspflege“

Die Freie Wohlfahrtspflege im Nationalsozialismus

Die Gleichschaltung der freien Wohlfahrtsverbände Mitte 1933 hatten die Caritasverbände und ihre Gliederungen im Unterschied zu anderen Verbänden, die verboten oder diskriminiert wurden, mit geringen Einschränkungen überstanden. Der Diözesan-Caritasverband sowie die angeschlossenen katholischen Träger und Einrichtungen behielten, nicht zuletzt aufgrund des zwischen dem NS-Regime und dem Heiligen Stuhl geschlossenen Reichskonkordats, eine wichtige Stellung innerhalb des Wohlfahrtssystems. Der Verband und seine Repräsentanten waren somit strukturell in die NS-Unrechtspolitik eingebunden. Auch in Bezug auf einzelne Ideen und Ziele gab es Parallelen, etwa autoritäre Erziehungsideen innerhalb der sozialen Arbeit, besonders in der Fürsorgeerziehung. Gleichzeitig waren katholische Einrichtungen selbst massiver Verdrängung durch nationalsozialistische Wohlfahrtsakteure und Repressionsakten ausgesetzt.[1]

Einige wenige Vertreter der katholischen Kirche in Deutschland waren früh aufgetreten, um vor der NS-Bewegung zu warnen. Ein leuchtendes Beispiel bildet der Münchner Jesuitenpater Rupert Mayer, der aufgrund seines öffentlichen Widerstands gegen das nationalsozialistische Unrechtsregime später selbst zum Opfer der NS-Verfolgung wurde. Akte der christlichen Nächstenliebe und der Hilfe für Verfolgte bis hin zu Widerstandshaltungen und -handlungen bildeten eine weitere Dimension der wechselhaften Geschichte des Diözesan-Caritasverbands im „Dritten Reich“.

Die hier folgende Zusammenstellung ist keine abschließende Analyse, sondern soll einen ersten Einblick in die Geschichte des Caritasverbands der Erzdiözese München in diesen Jahren geben. Weitere Forschungen u. a. anhand von Quellen aus dem Archiv des Diözesan-Caritasverbands werden diese Ergebnisse präzisieren, ergänzen und möglicherweise auch korrigieren.


Mehr zur Geschichte des Diözesan-Caritasverbands im Zeitraum 1933-1945:

Der Diözesan-Caritasverband und das NS-Wohlfahrtsystem

Kirchlicher Widerstand im nationalsozialistischen Regime – Pater Rupert Mayer

Barmherzigkeit und Hilfe für Verfolgte – Hilfe für Katholiken jüdischen Hintergrunds 

NS-Krankenmord an Bewohnerinnen und Bewohnern katholischer Heil- und Pflegeeinrichtungen

Zwangsarbeit in den karitativen Einrichtungen der Erzdiözese München und Freising (erscheint 03/2022)

Das Winterhilfswerk unter dem NS-Regime (erscheint 03/2022)

 

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[1]Der im Titel erwähnte Begriff der "Wohlfahrtsduseleien" beschrieb nach Ansicht Adolf Hitlers die "zwecklosen" und "schädlichen" Bestrebungen der Wohlfahrstpflege, im Gegensatz zur nationalistischen "Volkspflege" an als "nützlich" empfundenen "Gliedern des Volksganzen". Vgl. hierzu: van Vliet, Valery: Caritas im Zeitalter der 'Volkspflege' - Eine Heruasforderung für die Pädagogik und ihre historische Verortung, Diss. LMU München 2013, S. 62 f.