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Panoramapostkarte mit Luftbild des Kinderdorfes Irschenberg, 1970. | © (Hans Gschwendtner, Archiv des DiCV der Erzdiözese München und Freising e. V.)

Aufwachsen in der zweiten Familie

Das Kinderdorf Irschenberg

Innerhalb der Gemeinde fällt das Kinderdorf Irschenberg kaum auf, so gut ist es integriert. Nur die vielen Sportstätten und Freizeitanlagen geben einen Hinweis, dass es sich bei dem Kinderdorf um eine besondere Einrichtung handelt. Natürlich verstärken die Kinder und Jugendlichen das Bild eines besonderen Ortes. Wenn sie nachmittags gemeinsam mit ihren Freundinnen und Freunden aus dem Dorf auf dem Gelände ihre Freizeit verbringen, lässt sich aus allen Ecken kindliche Ausgelassenheit und fröhliches Lachen vernehmen. 

Eine Vorgängereinrichtung des Kinderdorfs Irschenberg war das Kinderheim Starkheim/Mühldorf, dessen Träger der Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) war. Hier betreuten seit 1948 „Schwestern von der Heiligen Familie“ Kinder und Jugendliche in Familiengruppen. Zur Institution gehörte ein eigener Kindergarten und eine damals sogenannte „Hilfsschule“, also eine Schule für Kinder und Jugendliche mit Lernschwierigkeiten. Auf diesem Konzept aufbauend folgten umfangreiche Geldsammlungen sowohl bei öffentlichen als auch bei privaten Stellen. Mit Erfolg: Am 14. Mai 1970 erfolgte die Grundsteinlegung für das Kinderdorf in Irschenberg.[1]

Im Februar 1972 zogen 70 Kinder in die neu gebauten Unterkünfte ein, die offizielle Einweihung erfolgte am 10. Juli des gleichen Jahres. Neben dem damaligen bayerischen Ministerpräsidenten Alfons Goppel und seiner Frau Gertrud Goppel, die das Protektorat für das Kinderdorf übernommen hatte, nahm auch Kardinal Julius Döpfner an der Einweihungsveranstaltung teil.[2] Das Kinderdorf bestand zur Zeit der Gründung aus vierzehn Häusern. Es lebten je zehn Kinder mit einer Hausmutter in familienähnlicher Gemeinschaft zusammen. Zum Dorfleben gehörte auch eine Schule für Kinder mit dem Förderschwerpunkt Lernen. Diejenigen Kinder, die nicht die Schule im Kinderdorf besuchten, wurden an der örtlichen Schule in Irschenberg unterrichtet. Dahinter stand der Wunsch, dass die Kinder auch außerhalb des Dorfes Kontakte und Freundschaften schließen sollten.[3]

Das Kinderdorf verfolgte von Beginn an das Ziel, für die Kinder und Jugendlichen ein Ort zu sein, an dem sie sich zu Hause fühlen können. Die Idee, ein Angebot mit familienähnlichen Gemeinschaftsstrukturen zu schaffen, war und ist grundlegend für das Kinderdorf. Ziel ist es auch, den Kindern- und Jugendlichen Hilfestellung zur „persönlichen Reifung“ zu geben und Lebenswerte zu vermitteln, die ihnen Halt und Harmonie versprechen.[4]

Heute finden Kinder und Jugendliche in Irschenberg ein Zuhause, denen durch Notlagen oder Schicksalsschläge ein Leben in ihrer Herkunftsfamilie dauerhaft oder temporär nicht möglich ist. Dennoch verstehen die Mitarbeitenden des Kinderdorfes die Elternschaft als lebenslang bestehend. Im Rahmen der Familien- und Elternarbeit versuchen sie, zur Beziehungsarbeit zwischen Eltern und betreutem Kind beizutragen. In einem Konzeptpapier aus dem Jahr 1994 heißt es: „Mit den Eltern arbeiten wir in gemeinsamer Verantwortung zum Wohl des Kindes zusammen und bereiten gegebenenfalls die Rückkehr des Kindes in die [F]amilie rechtzeitig vor.“[5]

Heute gibt es ca. 100 Kinder und Jugendliche im Kinderdorf. In einer Gemeinschaft mit ihrer Gruppe leben sie in Ein- bis Zweibettzimmern in Doppelhäusern. Die großzügige Außenanlage mit vielfältigen Spiel- und Sportplätzen ist auch bei den Kindern aus der Nachbarschaft beliebt und erleichtert den gegenseitigen Kontakt. Ergänzt werden die Freizeitmöglichkeiten durch weitere Aktivitäten, etwa eine Theatergruppe, einen Chor oder Ski- und Snowboardkurse.[6]

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[1] Sr. Henriette v.d. Hl. Familie: Kinderheim in Starkheim, in: 20 Jahre Caritas-Kinderdorf Irschenberg, S. 7-8, hier: S. 7, vgl.: Archiv des Caritasverbands der Erzdiözese München und Freising e. V., II ZTR-KJH/4-17.

[2] Koch, Georg: „Das Caritas-Kinderdorf in Irschenberg mit Sonderschule für Lernbehinderte“, in: Blick hinter die Fassade, Wort und Bild zum Tagwerk der Caritas, vgl.: Archiv des Caritasverbands der Erzdiözese München und Freising e. V., II KH-2 20, Berichte, Broschüren, Veröffentlichungen.

[3] Archiv des Caritasverbands der Erzdiözese München und Freising e. V., II KH-2 20, Berichte, Broschüren, Veröffentlichungen, Kinderdorf Irschenberg-Heimat und Geborgenheit.

[4] „Caritas-Kinderdorf Irschenberg“, o. D.; o. V.; Archiv des Caritasverbands der Erzdiözese München und Freising e.V., II KH-2 20, Berichte, Broschüren, Veröffentlichungen.

[5] Archiv des Caritasverbands der Erzdiözese München und Freising e. V., II ZTR-KJH/4-7, Konzeptionelles Kinderdorf Irschenberg, Ergebnisse der Projektgruppe „Eltern und Angehörigenarbeit im Kinderdorf Irschenberg“, Oktober 1994.

[6] Internetressource: https://kinderdorf.de/unsere-leistungen/kinderdorffamilien.html letzter Zugriff 15. Februar 2022.

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