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Thea Schroff (1926–2002) war von 1971–1992 Leiterin der Landesstelle des Sozialdienstes katholischer Frauen e. V. und zeitweise Mitglied der Landes-Caritaskonferenz. Sie hatte maßgeblichen Anteil am Aufbau von Beratungsstellen für Schwangere in Konfliktsituationen und beeinflusste die Gesetzgebung; Foto 1991. | © Fotograf unbekannt, Archiv des DiCV München und Freising e. V., Fotosammlung

Lebensentscheidungen

Schwangerschaftskonfliktberatung als Aufgabe für den Fachverband Sozialdienst katholischer Frauen e. V.

Ein erstes einheitliches Gesetz über den Schwangerschaftsabbruch gab es im Deutschen Reich seit 1871. Der Paragraf 218 des Strafgesetzbuches drohte damals mit bis zu fünf Jahren Zuchthaus. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts entstand eine politische und gesellschaftliche Debatte um die Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen. Allerdings scheiterten alle eingebrachten Gesetzentwürfe an den Mehrheitsverhältnissen im Reichstag. Erst 1927 wurde erstmals die medizinische Indikation eines Schwangerschaftsabbruchs rechtlich anerkannt. Wenn das Leben der Mutter durch die Schwangerschaft in Gefahr geriet, war ein Abbruch möglich. Im Nationalsozialismus wurden Schwangerschaftsabbrüche wieder komplett verboten. Auch die Strafen wurden deutlich verschärft, bis hin zur Todesstrafe.

In der deutschen Nachkriegsgeschichte unterschied sich der Umgang mit dem Thema Schwangerschaftsabbruch deutlich zwischen der DDR und der BRD. 1950 wurde in der DDR der Schwangerschaftsabbruch aus medizinischer und eugenischer Indikation legalisiert und 1972 erstmals eine Fristenlösung eingeführt. Jetzt war ein Schwangerschaftsabbruch in den ersten drei Monaten erlaubt. In der BRD blieb ein Schwangerschaftsabbruch illegal und konnte mit bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe geahndet werden. Diese gesetzliche Lage blieb auch nach der Wiedervereinigung zunächst unverändert.

Dennoch gab es auch in der BRD bereits lange vor den 1970er-Jahren Angebote, die Schwangere in Konfliktsituationen auffangen sollten. Die Expertinnen dafür auf katholischer Seite kamen vom SkF (seit 1968 Sozialdienst katholischer Frauen e.V., früher: Katholischer Fürsorgeverein für Mädchen, Frauen und Kinder, - ein korporatives Mitglied des Caritasverbands). 1972 wurde ein neues Beratungskonzept mit vorbeugenden Hilfsmaßnahmen erarbeitet, das dem ungeborenen Leben dennoch Rechtsschutz gewährte. Mit diesen Prämissen startete bereits im Jahr darauf in München als Bundesmodellprogramm die "erste staatlich anerkannte Beratungsstelle für Schwangerschaftsfragen". Auf bayerischer Landesebene nahm vor allem Thea Schroff, die damalige Leiterin der Landesstelle des SkF, auf die Gesetzgebung maßgeblich Einfluß und wirkte so entscheidend mit für den Aufbau und die Weiterentwicklung der Beratungsstellen.  

1992 wurden die gesetzlichen Vorgaben übergangsweise neu geregelt und erst 1995 trat das bis heute gültige Schwangeren- und Familienhilfeänderungsgesetz für ganz Deutschland in Kraft. Ein Schwangerschaftsabbruch ist weiterhin rechtswidrig, bleibt aber nach Paragraf 219 StGB in den ersten 12 Wochen straffrei, wenn sich die Schwangere im Vorfeld beraten lässt. Nach der absolvierten Beratung erhält die Schwangere eine Bestätigung, mit der ihr ein straffreier Schwangerschaftsabbruch ermöglicht wird.[1]

Eine maßgebliche Änderung für die Beratungsstellen kirchlicher Träger brachte ein Hirtenbrief von Papst Johannes Paul II. vom 11. Januar 1998. Der Papst wandte sich in einem Schreiben an die deutschen Bischöfe und positionierte sich gegen Schwangerschaftsabbrüche und deren straffreie Durchführung. Nach dieser päpstlichen Weisung wurden Beratungsnachweise von kirchlichen katholischen Beratungsstellen für eine Schwangerenberatung nicht weiter ausgestellt.[2] Für die Diözesan-Caritasverbände und den SkF stellte sich nun die Frage nach der Rolle kirchlicher Träger innerhalb der gesetzlichen Schwangerschaftskonfliktberatung.[3]

Ein Positionspapier, ausgearbeitet im Oktober 1999, bei der 14. Vertreterversammlung des Deutschen Caritasverbands, forderte ein uneingeschränktes Angebot der Schwangerschaftskonfliktberatung, auch durch die Caritasverbände.[4] Die katholische Kirche in Deutschland und somit auch der Diözesan-Caritasverband München und Freising entschieden sich bald darauf, die Schwangerschaftskonfliktberatung durch den SkF fortzusetzen, um werdenden Müttern weiterhin zur Seite stehen zu können und diese in Konfliktsituationen adäquat zu beraten. Dabei soll dies dem Schutz des ungeborenen Kindes dienen und den werdenden Eltern aufzeigen, welche Unterstützung ihnen zusteht. Die Beratung erfolgt sowohl kostenlos als auch anonym. Ein Beratungsschein wird – den päpstlichen Anweisungen folgend – nicht ausgestellt.

Heute bietet die Schwangerschaftsberatung des SkF Antworten auf Fragen rund um das Thema Schwangerschaft und die Geburt. Speziell steht sie werdenden Müttern in Konfliktsituationen während der Schwangerschaft sowie nach der Geburt und der ersten Zeit der neuen Lebensphase, bei. Darüber hinaus unterstützt sie bei der Familienplanung und bietet Hilfe in psychischen Notlagen.[5]

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[1]  Zur Geschichte des SkF und der Entwicklung des Schwangerenberatungskonzepts: Chronik_SkF_online.pdf (skf-muenchen.de); zur neueren gesetzlichen Regelung der 1990er-Jahre vgl.: Schwangerschaftskonfliktberatung, auf: https://www.caritas.de/glossare/schwangerschaftskonfliktberatung, letzter Zugriff 20. Februar 2022.

[2] Vgl.: Archiv des Caritasverbands der Erzdiözese München und Freising e. V., Bibliothek III/ B-ZS 793, neue Caritas, Heft 1 (1999).

[3] Vgl.: Archiv des Caritasverbands der Erzdiözese München und Freising e. V., Presseausschnittsammlung III/PAS 154, Fachverbände und andere angeschl. Einrichtungen 1993-1998, Papstbrief löst Widerstand auf breiter Front aus, in: Abendzeitung München, 22. Januar 1998., vgl.: ebd., Katholiken trotzen dem Papst. Ungehorsam und Unmut wegen des Streits um die Beratungsstellen, in: Abendzeitung München, o. D.

[4] Vgl.: ebd., Bibliothek III/B-ZS 794, neue Caritas, Heft 2 (1999).

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